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Spitzwegerich – der König der Wege


Plantago lanceolata, 17. Mai 2019, Medebach
Plantago lanceolata, 17. Mai 2019, Medebach

Der Spitzwegerich, bzw. auf schlau: Plantago lanceolata, gehört zu den Wegerichgewächsen, also den Plantaginaceae. Er wird in die Klasse der zweikeimblättrigen Gewächse (Dicotyledoneae) eingeordnet und ist ein Bedecktsamer (Angiospermae). Seine charakteristischen schmalen, lanzenartigen Blätter, die eine Rosette bilden und bis zu 30 cm lang werden, haben fünf bis sieben parallele Blattrippen. Die bräunlichen Blüten wachsen auf dem bis zu 50 cm langen, gefurchten Stängel in drei bis fünf Zentimeter langen kolbenartigen Ähren mit Zwitterblütchen. Charakteristisch sind auch die leicht beweglichen Staubblätter. Zur Blütezeit, Mai bis September, stehen sie mit ihren dicken, weißgelblichen Staubbeuteln fast waagerecht und hängen weit heraus. Der Spitzwegerich wächst nahezu überall, ist recht genügsam, bevorzugt aber nährstoffreiche Fettwiesen und -weiden sowie Parkrasen.

 

 

Seine feinen Pollen werden mit dem Wind verteilt, der Spitzwegerich braucht also keine Insekten für die Bestäubung anzulocken, weshalb er es sich auch bedenkenlos erlauben kann, eher unscheinbar und unauffällig zu wachsen.

Plantago lanceolata, 17. Mai 2019, Medebach
Plantago lanceolata, 17. Mai 2019, Medebach

 

 

Doch so unscheinbar er auch wachsen mag, so außergewöhnlich ist er! Die Heilpflanze des Jahres 2014 ist widerstandsfähig und ausdauernd. Selbst wenn wir auf ihn treten, ihn „niedertrampeln“, richtet er sich wieder auf. Er strotzt vor Kraft und gibt diese mit Freuden an uns weiter. Seine Inhaltsstoffe (insbesondere die Iridoidglykoside (z.B. Aucubin), Gerbstoffe und Schleime sowie Kieselsäure, Mineralstoffe (z.B. Kalium und Zink) und Vitamin C und B) wirken antimikrobiell und entzündungshemmend sowie blutstillend und wundheilend. Weiter wirkt er reizlindernd, leberreinigend und schleimlösend. Der Spitzwegerich, oder auch Siebenrippe, Heilblatt oder Heilwegerich, Wundwegerich, Lungenblattl oder Spießkraut genannt, hilft uns besonders gerne bei Harn- und Atemwegserkrankungen (Lungenentzündungen, Katarrhe, Rachen­schleim­haut­entzündungen, Hustenreizen) sowie bei Hautleiden, wie z.B. juckenden Ausschlägen, leichten Verbrennungen oder Sonnenbrand, und auch bei Muskelerkrankungen. In der Signaturenlehre stehen seine Blattrippen für die Muskelstränge bei Mensch und Tier und diese wiederum für die Bewegungsdynamik. Der Spitzwegerich bringt unsere Emotionen, die das Ausmaß an Bewegung sowie das Tempo und die Form der Bewegung beeinflussen, wieder ins Gleichgewicht. Des Weiteren steht er für Durchsetzungsvermögen und hohe Widerstandskraft, da er sich dort niederlässt, wo er will – er macht sich breit, erobert sich „sein Revier“.

 

 

Plantago lanceolata, Carl Axel Magnus Lindman (1917-1926)
Plantago lanceolata, Carl Axel Magnus Lindman (1917-1926)

Der Spitzwegerich ist nahezu an allen Wegen und Wiesen präsent, daher können wir seine Blätter bei Insektenstichen und kleineren Verletzungen bestens als Notfallpflaster verwenden - einfach pflücken, etwas zwischen den Fingern zerreiben und auf den Stich oder die Wunde legen. Der Spitzwegerich kann zudem hervorragend im Salat oder einfach so, frisch gepflückt, gegessen werden – zum Beispiel steht er uns auch mit seinen Blättern und Blütenknospen als Energielieferant zur Verfügung (z.B. bei längeren oder anstrengenden Wanderungen). … Der Spitzwegerich – er hat es sich zur Aufgabe gemacht, uns liebevoll zur Seite zu stehen, um unsere Leiden zu lindern. Ob als Honig („Erdkammer-Sirup“), als Salbe, als Tinktur, als Tee, als Umschlag oder als Snack bzw. Salatbeigabe – er erinnert unseren Körper an seine Selbstheilungskräfte und stärkt dessen Bild von Gesundheit. Dabei ist er sanft und hat so gut wie keine Nebenwirkungen. Er kann daher auch bei Kindern bedenkenlos eingesetzt werden.

 

Die Germanen sahen in ihm Seelen, die aus der Unterwelt wieder ins Licht traten und die Menschen auf der Erde begleiteten. Der Pflanzengeist des Wegerichs (also des Spitzwegerichs sowie seiner Geschwister Breitwegerich (Plantago major) und Mittlerer Wegerich (Plantago media)) soll Seelen, die zurück ins irdische Leben reisen, den Weg weisen und sie auf ihrer Reise gegen Widrigkeiten schützen und ihnen heilend zur Seite stehen. Auf irdischer Seite hielten Frauen während der Geburt eine Wegerichwurzel in der linken Hand. Die Pflanzenschwingung soll vor Sturzblutungen und Fieber schützen. Auf diese Weise wurde den Seelen der Aufstieg zurück auf die Erde noch mehr erleichtert.

 

Bereits in früher Vorzeit wurde er von Zauberern, Kräuterfrauen und Wurzelgräbern wegen seiner außergewöhnlichen Heilkräfte geschätzt und geehrt. Sie sahen in ihm einen machtvollen Pflanzengeist, voll übernatürlicher Kräfte, den Bezwinger von todbringenden Krankheiten, den Seelenbegleiter, den König der Wege.

 

Und du Wegerich, Mutter der Pflanzen,

offen nach Osten, mächtig im Innern:

über dich knarrten die Wagen, über dich ritten Frauen,

über dich schrien Bräute, über dich schnaubten Farren[1].

Allen widerstandest du und setztest dich entgegen,

so widerstehe auch du dem Gift und der Ansteckung und dem Übel,

das über das Land dahin fährt.

 

Für mich ist der Spitzwegerich eine ganz besondere Pflanze. In seiner Unscheinbarkeit steckt so viel Schönheit, so viel Kraft. Seine Vielseitigkeit, sein unbedingter Wunsch, uns zu helfen, für uns zu sorgen, beeindrucken und faszinieren mich immer wieder aufs Neue.


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Spitzwegerich_Nicole Wessels_Sommer 2019
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Quellen

 Barbara Newerla, Wildundfrei.net - Spitzwegerich. [Online]

Doris Grappendorf, 2. Aufl., 2017. Bei einer Kräuterfrau in der Lehre. Feldatal: Eschehaus-Verlag.

Fischer-Rizzi, Susanne, 7. Aufl., 2013. Medizin der Erde. Baden und München: AT Verlag.

Nook Marketing Corp., Spitzwegerich.info [Online]

Stefan Brönnle, 2015. Inana / Unsere Pflanzengeister - Der Wegerich. [Online]

Ursel Bühring, 4. Aufl., 2018. Alles über Heilpflanzen. Stuttgart: Eugen Ulmer KG.


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